Was passiert mit uns, wenn Unmenschlichkeit zur Normalität wird, wenn wir die Augen davor verschließen und es trotz des Wissens geschehen lassen, dass es nicht rechtens ist, was  wir  als Normalität ansehen, auch wenn uns bewusst ist, dass es nicht mehr mit der Natur einhergeht? Gewalt, Brutalität, Grausamkeit, Menschenunwürdigkeit gehören mittlerweile genauso zur heutigen Zeit wie der Wunsch nach Frieden, Achtung vor allen Lebewesen, Liebe und Mitgefühl.
Doch die Kluft zwischen dem einen und dem anderen scheint immer größer zu werden, denn Gewalt lässt sich nun mal nicht mit Frieden vereinen und Unmenschlichkeit kann kein Teil der Menschenwürde sein. Um nicht selbst Opfer der Büchse von Pandora zu werden, bevorzugen wir es, still zu sein, zuzuschauen und die Hilflosen sich selbst zu überlassen. Wir glauben, auf der sicheren Seite zu sein – aber aufgepasst, der Schein trügt! Sicherheit ist ein Konstrukt, das nie mit äußeren Bedingungen abgedeckt werden kann. Verabschieden wir uns endlich davon nach außen gerichtet zu sein und wenden den Blick nach Innen. Erst dann sind wir fähig zu erkennen, was uns selbst Sicherheit in einer unsicheren Zeit gibt. Mit dieser Innenschau geben wir uns selbst die Möglichkeit zu entscheiden, ob wir unbeteiligter Beobachter im Geschehen der Ungerechtigkeit bleiben wollen oder nicht. Wollen wir wie Blinde sein, die der Realität nicht ins Auge schauen können?

Die Welt mag in ihrer Essenz friedlich sein, doch durch den Menschen ist sie ins Ungleichgewicht geraten. Seine Gier, sein Groll, sein Bedürfnis, das eigene Ego zu versorgen, haben Ausmaße angenommen, die Schaden an dieser Welt und ihrem friedvollen Zusammenleben angerichtet haben und dies heutigentags immer noch der Fall ist. Die Bereicherung des Egos führt über kurz oder lang immer zu Zerstörung, weil damit nicht dem Allgemeinwohl gedient und diese gegensätzlich zum Grundgedanken „Alles ist eins“ ist. Wir wollen nicht wahrhaben, dass wir eine Verantwortung gegenüber uns selbst und anderen haben. Sehen wir uns nur als Marionetten im Spiel von Macht und Kampf oder sehen wir uns als handelnde, mitfühlende Wesen, die zum Gleichgewicht dieser Erde beitragen können?

Die Würde des Menschen ist mittlerweile zu einem kostbaren Gut geworden, dass nur mehr noch jenen vorbehalten ist, die es sich aufgrund ihres Status, ihrer politischen Stellung und ihres materiellen Reichtums leisten können, aber diese Art von Würde ist nicht echt. Sie ist heuchlerisch und kann jeden Moment wie eine Glaskugel auf dem Boden zerschmettert werden, sobald die äußeren Gegebenheiten angegriffen werden. Das ist keine Menschenwürde, sondern das Aufrechterhalten eines Machtkampfes, bei dem es letztlich nur Verlierer geben kann!

Die Menschenwürde ist unantastbar, unabhängig von Religion, Status, Nation, Geschlecht, Hautfarbe, Sprache, Bildung, Herkunft; sie ist auch die Grundlage unserer Menschlichkeit. Es ist die Verantwortung jedes Einzelnen diese und die Würde jedes Lebewesens auf dieser Erde zu bewahren, sie wie einen Schatz in den Händen zu halten und jedem & allem entgegenzubringen. Wir tragen nicht nur die Verantwortung für uns selbst, sondern unser Dasein ist nur ein Teil einer größeren Existenz. Diese Tatsache zu ignorieren, schadet letzten Endes nur uns selbst. Wir dürfen die Augen nicht verschließen, denn die Büchse der Pandora schläft nicht!

Die Kultivierung sowohl von Mitgefühl und Liebe als auch das Leben von Gewaltlosigkeit geben uns die notwendige Kraft, dem zu begegnen, was wir Krieg, Elend und Grausamkeit nennen. Auf Leid mit Mitleid zu reagieren, führt nur zu noch mehr Hilflosigkeit und Verzweiflung. Mitgefühl ist unsere Fähigkeit ein Lebewesen in seiner Ganzheit sehen zu können, unabhängig davon in welcher Situation es sich gerade befindet. Mitleid bezieht sich hingegen auf die Situation und nicht auf die Ganzheit des Lebewesens. Mitleid sieht die Situation und nicht den Menschen, der dahinter steht und dies macht uns stumm, weil wir nur mehr noch Zeuge des Grauens sind, aber nicht mehr Handelnder. Die Geschichte hat gezeigt, dass große Persönlichkeiten den Mut zur Veränderung hatten, die Normalität nicht als gegeben hinnahmen und die genannten Qualitäten entwickelten, um die Würde jedes einzelnen Menschen zu leben. Wir alle tragen diese Stärke in uns und niemand kann uns diese Fähigkeiten wegnehmen. Mögen wir äußerlich auch Schandtaten über uns ergehen lassen, wir bleiben im Inneren unantastbar, wenn wir das Juwel der Menschenwürde in uns tragen. 

Veröffentlicht unter: Online Magazin Wandelthek.de (2015)

 

 

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